Auch im Stadtbezirk Köln-Ehrenfeld mit seinen mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern wird Radverkehr nicht zum ersten Mal geplant. Die Erwartungen sind hier hoch, da in einigen Stadtvierteln höchste gesamtstädtische Fahrradanteile erreicht werden. Die Erfahrungen aus den beiden anderen Radverkehrskonzepten für Köln-Lindenthal/Sülz und die Kölner Innenstadt sollten gebündelt und in dieser Bearbeitungsintensität ein letztes Mal auf einen Kölner Stadtbezirk fokussiert werden.
Dem Radverkehrskonzept voran geschaltet hat die Stadt Köln erstmals den digitalen „Raddialog“. Mit diesen Hinweisen und denen aus dem RADar! und der Website des Teams des Fahrradbeauftragten sowie den Ergebnissen der Auftaktveranstaltung gingen mehr als 600 Anregungen und Verbesserungsvorschläge ein, die ausgewertet, dokumentiert und in die Maßnahmenplanung einbezogen wurden.
Viele Aktive innerhalb und außerhalb der Verbände haben Erfahrungen mit dem Radfahren in Ehrenfeld und der Erarbeitung von Radverkehrskonzepten für die anderen Stadtbezirke gesammelt und sich sehr konstruktiv im Rahmen des Facharbeitskreises eingebracht, der projektbegleitend dreimal tagte und in dem die Zwischenergebnisse diskutiert und das weitere Vorgehen abgestimmt wurde. Auch die Politik hat viele Anträge mit zum Teil großer Mehrheit beschlossen, die eine Fahrradförderung zum Ziel haben. Einer der Grundlagenbeschlüsse war, dass bis 2025 im Stadtbezirk ein Fahrradanteil von 40% anzustreben ist.
Wie in der Innenstadt ist die Basis der Radverkehrsplanung auch in Ehrenfeld eine Netzplanung gewesen, die sich an Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen richtet: Defensive und Genussradfahrende möchten gerne abseits der Hauptverkehrsstraßen unterwegs sein. Offensive Radfahrende scheuen das Fahren auf der Fahrbahn auf Hauptverkehrsstraßen nicht. Für sie ist das schnelle, zielgerichtete und direkte Vorankommen wichtig, denn Rad gefahren wird selbstbewusst. Will man beiden Bedürfnissen entgegenkommen, so muss das Netz in zwei Richtungen entwickelt werden:
- Die Hauptverkehrsstraßen, die in Abschnitten nur unzureichende, den heutigen Ansprüchen nicht mehr gerecht werdende Radverkehrsanlagen aufweisen, müssen durch Umverteilung von Verkehrsflächen fahrradtauglich gemacht werden.
- Das Netz abseits der Hauptverkehrsstraßen wird nach dem Verträglichkeitsprinzip gestaltet: Dort, wo Autos unterwegs sind, fahren diese langsam. Hier werden vor allem Fahrradstraßen eingerichtet.
Das Netzkonzept bildet die Zielvorstellung der zukünftigen Radverkehrshauptrouten ab und ist für die Berücksichtigung des Radverkehrs bei zukünftigen Planungen maßgebend. Die Radverkehrshauptrouten bilden ein zusammenhängendes, durchgehend befahrbares Radverkehrsnetz, das den Stadtbezirk Ehrenfeld mit den benachbarten Stadtteilen verbindet. Der Radverkehr soll auf den Radverkehrshauptrouten gebündelt und ein besonders sicher und komfortabel befahrbares Netz sichtbar gemacht werden. Das Radverkehrsnetz für den Stadtbezirk Ehrenfeld ist bereits im Vorgriff vom Stadtbezirksparlament im Herbst 2018 beschlossen worden.
Standen in der Kölner Innenstadt vor allem die „Big Five“, die fünf Leitprojekte mit besonderer Strahlkraft für die Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur im Vordergrund der Maßnahmenplanung, wurde für Ehrenfeld das gesamte im Vorfeld definierte Radhauptnetz detailliert dokumentiert und mit Maßnahmenempfehlungen belegt. Diese Maßnahmenempfehlungen sind in einer Datenbank gefasst, die kontinuierlich bearbeitet und aktualisiert werden kann und über eine GIS-Verknüpfung thematische Karten nach den unterschiedlichsten Kriterien erzeugen kann. Dieses Maßnahmenprogramm weist einen hohen Detaillierungsgrad auf, es enthält insgesamt 585 Maßnahmen. Ziel der flächendeckenden Maßnahmenplanung ist es, den Handlungsbedarf im Straßennetz für die nächsten 10 bis 15 Jahre aufzuzeigen und so den finanziellen Gesamtrahmen darzustellen. Eine erste pauschalisierte Kostenschätzung der Radverkehrsmaßnahmen für Ehrenfeld ergibt ein Investitionsvolumen von ca. 38 Millionen Euro. Auf der Grundlage dieser Daten kann die Budgetplanung für die Umsetzung des Konzeptes geplant werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Maßnahmen in der Baulast der Stadt Köln liegen und in vielen Fällen Fördermittel beantragt werden können. Zudem ergeben sich Synergieeffekte im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen, die nicht fahrradspezifisch sind.
Neu im Radverkehrskonzept für Ehrenfeld ist auch, dass Schülerinnen und Schüler als wichtige Zielgruppe für den alltäglichen Radverkehr explizit in den Fokus genommen wurden. Über eine empirische Befragung an vier weiterführenden Schulen im Stadtbezirk wurden die Alltagsroutinen erfasst, aber auch die Wünsche und Anregungen der Radfahrenden erfragt.
Diese Ergebnisse bildeten eine wichtige Grundlage für die Konzeption des „Grünen Netzes“, das Radverkehrsnetz, das vor allem abseits der Hauptverkehrsstraßen geführt wird. Auf den Straßen im Nebennetz dominiert in Ehrenfeld wie in der Innenstadt vielerorts bereits heute der Radverkehr. Hier bieten sich Fahrradstraßen oder andere Straßenraumgestaltungen an, die dem Rad- und Fußverkehr genug Raum lassen.
Anders als auf den Hauptverkehrsstraßen in der Kölner Innenstadt, wo ganze Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr nicht mehr erforderlich sind, ist der Verkehrsraum auf den meisten Hauptverkehrsstraßen im Stadtbezirk Ehrenfeld eher beengt und eine Flächenumverteilung nicht möglich. Es ist also eine Entwicklung in Richtung Verträglichkeit notwendig, so dass ein Straßenzug vom gelben in das Grüne Netz wandert. Das bedeutet, dass in einigen Fällen der Kfz-Verkehr reduziert werden muss.
Diese Herausforderung wurde mit der übergreifenden Betrachtung des Verkehrsgeschehens beantwortet. Im Rahmen der Leitprojekte „zukünftige Radverkehrsinfrastruktur auf dem Ehrenfeldgürtel“, „zukünftige Gestaltung der Venloer Straße“, aber auch der Absicht, vor allem den Kfz-Durchgangsverkehr auf Fahrradstraßen zu reduzieren, wurden die Auswirkungen der Planungsvorschläge für den Radverkehr auf den Kfz-Verkehr mit Hilfe des Kölner Verkehrs-Modells berechnet und visualisiert.
Als Reaktion auf die vorhandenen Kapazitätsengpässe auf den innerstädtischen Radhauptrouten und die sich zunehmend diversifizierenden Radtypen mit und ohne elektrischer Antriebsunterstützung werden bundesweit neue Ansprüche an die Infrastrukturstandards gestellt. Angestoßen wurde die Diskussion mit den Radschnellwegeplanungen, doch gerade auch die Kölner Erfahrung zeigt, dass die Infrastruktur-Standards hier sehr hoch und die Planungszeiträume sehr lang sind.
Für den Bezirk Ehrenfeld wird derzeit eine Verbindung im Rahmen des Konzeptes „Schnelle Radverbindungen Köln“ für die Trasse Pulheim – Bocklemünd/Mengenich – Ehrenfeld – Innenstadt untersucht. Auch um die Umsetzung zu beschleunigen, wird vielerorts als sogenannter Mittelstandard, der „Radvorrangrouten-Standard“ angestrebt, der zwar in den Breitenanforderungen den Radschnellwegestandard nicht erreicht, aber an den Knotenpunkten ähnlich geringe Verlustzeiten ansetzt und daher den Radverkehr durchaus auch durch Beschleunigung attraktiver machen kann. Im Radverkehrskonzept für den Stadtbezirk Ehrenfeld wurde folglich der Radvorrangrouten-Standard auf den bereits definierten Achsen berücksichtigt.
Im Rahmen des Konzeptes wurden zudem für neun konkrete Fragestellungen Konzeptideen für einen Umbau erarbeitet. Die entwickelten Maßnahmenvorschläge wurden innerhalb der Beteiligungsverfahren diskutiert. Die Fachöffentlichkeit nutzte diese Gelegenheit, um zahlreiche konstruktive Anregungen in die Planung einfließen zu lassen.
Immer wieder wurde die zeitliche Perspektive diskutiert, denn das, was wir heute kennen, kann sich in ein paar Jahren schon deutlich anders darstellen. Auch die Verkehrsinfrastruktur muss sich diesen Entwicklungen anpassen können. Die Stadt Köln reagiert hierauf, indem die Seitenräume möglichst so umgestaltet werden, dass sie flexibel als Liefer-/Ladezone oder Fahrradparkplatz, für mobile Begrünung oder Außengastronomie genutzt werden können. Immer häufiger wird der Anspruch umgesetzt, dass die Straßenräume von außen nach innen geplant werden müssen, dass auch der Fußverkehr mehr Bedeutung und Aufmerksamkeit erlangt und dass die Kfz-Geschwindigkeiten in den Innenstädten reduziert werden müssen, um die Lebens- und Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Dieses Konzept soll nun auch auf der Venloer Straße angewendet werden.
Wie auch im Radverkehrskonzept für die Kölner Innenstadt fokussiert sich das Radverkehrskonzept für Ehrenfeld auf eine Optimierung der Infrastruktur. Betont werden muss an dieser Stelle, dass auch sogenannte „weiche“ Maßnahmen unerlässlich für ein Gelingen der Umsetzung sind. Als Beispiel soll hier die Empfehlung genannt sein, dass ein Mobilitätsmanagement an Schulen für eine nachhaltige Reduzierung des Elterntaxi-Anteils unerlässlich ist. An Schulen, an denen der Radverkehrsanteil bereits hoch ist, sollte geprüft werden, ob weitere unterstützende Maßnahmen, wie z.B. eine Sperrung der Straßen im direkten Schulumfeld zu den Schulanfangs- und -endzeiten umsetzbar ist. Die Schülerbefragung hat solche für Köln neue Forderungen durchaus unterstützt. Auch das Fahrradparken ist ein wesentlicher Bestandteil der Fahrradförderung auch und gerade an Schulen. Hier – anders als im öffentlichen Straßenraum – ist bislang kein einheitlicher Standard definiert worden, was dringend erfolgen sollte.
Das Team des Fahrradbeauftragten ist bereits an vielen Veranstaltungen und Einrichtung präsent. Dieses Engagement sollte im Rahmen der anstehenden Kampagne „Liebe braucht Abstand“, die Ehrenfeld als Schwerpunkt hat, intensiviert werden.
So werden deutliche Verbesserungen für den Radverkehr von Politik und Bevölkerung eingefordert. Die Erwartungen sind hoch und es ist nicht immer leicht, diese zu erfüllen. Die Umgestaltung von Straßenräumen und Knotenpunkten hat oft einen langen planerischen Vorlauf. So besteht die Gefahr, dass ein Konzept beschlossen wird und dann aufgrund des planerischen Vorlaufes zunächst einmal wenig passiert. Die Stadt Köln hat für die Umsetzung der Maßnahmen im Stadtbezirk Ehrenfeld bereits im ersten Halbjahr 2018 eine für Ehrenfeld zuständigen Planerstelle geschaffen und besetzt. Dennoch bleibt das Ziel, dass in den nächsten zehn Jahren weiterhin mehr Menschen vom Auto auf das Fahrrad umsteigen, weiterhin gebunden an die Verfügbarkeit personeller und finanzieller Ressourcen. Die politische Entscheidung, die Umsetzung des Radverkehrskonzeptes Ehrenfeld mit ausreichenden personellen und finanziellen Kapazitäten zu ermöglichen, ist hierfür die Voraussetzung.
Die politische Beschlussfassung, die schließlich im Juli 2021 erfolgt ist, unterstützt die Erwartung, dass das Radfahren in Köln-Ehrenfeld sicherer, komfortabler und für alle Zielgruppen attraktiver wird!
Informationen zum RVKE sind über die Website der Stadt Köln abrufbar.